Überraschung am Mannschaftsbus lässt ihn strahlen

Degenkolb hatte die Beine, aber nicht das nötige Selbstbewusstsein

Von Felix Mattis aus Bern

Foto zu dem Text "Degenkolb hatte die Beine, aber nicht das nötige Selbstbewusstsein"
John Degenkolb (Giant-Alpecin) unterliegt im Sprint von Bern gegen Peter Sagan (Tinkoff, rechts) und wird Vierter. | Foto: Cor Vos

18.07.2016  |  (rsn) - Zwei Tage ist es her, dass John Degenkolb am Vogelpark von Villars-les-Dombes auf Rang vier sprintete und anschließend vor Freude strahlte. Endlich zurück bei den ganz Großen im Sprint der Tour.

In Bern nun sorgte dieselbe Platzierung beim 27-Jährigen allerdings für tiefe Enttäuschung. Unbedingt wollte Degenkolb hier gewinnen - auf einer Etappe, die er sich im Vorfeld genauer angeschaut hatte und deren schweres Finale, das sogar eine kurze Kopfsteinpflasterrampe zwei Kilometer vor dem Ziel beinhaltete, ihm auf den Leib geschneidert schien. Da war Platz vier kein Grund zur Freude mehr.

Doch schon 1.000 Meter nach der Ziellinie wich der Frust einem Strahlen. Sohn Leo Robert und Frau Laura warteten am Mannschaftsbus auf ihren persönlichen Helden. "Das war schon krass gerade. Ich fiebere seit zwei Wochen darauf hin, den Kleinen und meine Frau wiederzusehen", erklärte er radsport-news.com später. "Auf dem Weg zum Bus eben habe ich vor lauter Emotionen nicht eine Sekunde daran gedacht, und dann war es hier eine megakrasse Überraschung, die beiden zu sehen."

Trotzdem war Degenkolb die Enttäuschung noch anzumerken, als er über das Rennen sprach. Denn eigentlich lief es hervorragend. Auf der Zielgeraden hatte er die perfekte Position: Während Warren Barguil mit einer beachtlichen Leistung das Feld den letzten Anstieg hinaufzog und auch die Hälfte des flachen Schlusskilometers noch an der Spitze fuhr, wartete Degenkolb im Windschatten von Peter Sagan (Tinkoff) an dritter Stelle. Ideal!

"Das war eine Riesenchance, und dementsprechend bin ich natürlich extrem enttäuscht, dass es nicht besser ausgegangen ist und ich nicht über den vierten Platz hinweggekommen bin", so Degenkolb. "Die Mannschaft hat sich den Allerwertesten aufgerissen, Warren ist den letzten Berg sensationell gefahren und hat ein Tempo angeschlagen, mit dem ich gerade noch leben konnte und bei dem viele hinten ausgeschert sind, glaube ich."

Degenkolb wartete an Sagans Hinterrad, schaute sich um, als 500 Meter vor dem Ziel links von ihm die Konkurrenz um Alexander Kristoff (Katusha) nach vorne kam, blieb weiter an Sagans Hinterrad kleben, zog mit nach links rüber, als Alejandro Valverde (Movistar) knapp 300 Meter vor dem Ziel losspurtete und startete seinen eigenen Sprint auf der abschüssigen Zielgeraden dann aber etwas zu spät, um noch an Sagan und Kristoff vorbeikommen zu können.

"Leider Gottes hat mir einfach das Selbstvertrauen gefehlt, um 250 Meter vor dem Ziel einfach loszufahren, wie ich es normalerweise kann: Augen zu und durch", bedauerte Degenkolb. "Ich glaube, die Beine dazu hätte ich sogar gehabt, aber einfach nicht das Selbstbewusstsein. Das ist im Nachhinein natürlich umso mehr schade."

Degenkolb gehört wieder zur Weltspitze. Diese Erkenntnis darf auch den Roubaix- und San-Remo-Sieger von 2015 in Bern freudig stimmen - gerade weil auch das geliebte Kopfsteinpflaster ihm und seiner Hand in Bern offenbar keine Probleme bereitete. Und in Paris gibt es auch noch eine weitere Siegchance bei dieser Tour. Doch Degenkolb ist kein Träumer. Er weiß, dass auf den Champs-Élysées Mark Cavendish (Dimension Data), André Greipel (Lotto-Soudal) und Marcel Kittel (Etixx-Quick-Step) die natürlichen Favoriten sind und er eher der Außenseitertipp sein wird.

"Paris ist noch weit. Deshalb verdrückt man heute noch die eine oder andere Träne, dass es nicht geklappt hat. Denn ich denke, heute wäre die größte Chance gewesen", so Degenkolb. Zum Wegwischen etwaiger Tränen hat er in Bern am Ruhetag aber nun ja seine zwei Lieblingsmenschen an seiner Seite.

Mehr Informationen zu diesem Thema

14.07.2020Video-Rückblick: Froome joggt 2016 den Ventoux hinauf

(rsn) – Heute vor vier Jahren erlaubten staunende Zuschauer am Mont Ventoux das Finale eines denkwürdigen Tour-Tages. Nach einem Sturz im Schlussanstieg der 12. Etappe rannte Chris Froome am Franz

27.07.2016Nibali hatte bei der Tour schon Rio im Blick

(rsn) – Vincenzo Nibali hat verärgert auf die Kritik an seinen Leistungen bei der am Sonntag zu Ende gegangenen Tour de France reagiert. Der Italiener und sein Astana-Team waren ohne Etappensieg ge

26.07.2016Erneuter Tour-Ausstieg der ARD darf kein Thema sein

(rsn) - Drei Wochen Tour de France. Ein paar Tage "als Fan" selbst dabei. Den großen Rest aber am Bildschirm. Bis zum grandiosen Schlussakkord auf den Champs Elysees, gesetzt im "Sprint des Jahres" v

26.07.2016Quintana will weiter für seinen Gelben Traum kämpfen

(rsn) – Kolumbien muss weiter auf seinen ersten Tour-de-France-Sieger warten. Auch im dritten Anlauf hat es Nairo Quintana nicht geschafft – doch noch nie war der Movistar-Kapitän weiter vom Gelb

26.07.2016Künftig ein britisches Duell um das Gelbe Trikot?

(rsn) – Wie sein berühmter Landsmann Bradley Wiggins wird auch Adam Yates in die Geschichtsbücher des Radsports eingehen. War der mittlerweile 36-jährige Stundenweltrekordler vor vier Jahren der

26.07.2016Kittel kam bei der Tour in keinen "richtigen Flow"

(rsn) – Bei André Greipel (Lotto Soudal) lief am Sonntag auf den Champs-Élysées alles nach Wunsch. Wie bereits 2104 gewann der Deutsche Meister die prestigeträchtige Abschlussetappe der 103. Tou

26.07.2016Hektische Sprints und Cavendish machten Greipel das Leben schwer

(rsn) – Nach drei teils frustrierenden Wochen schien für André Greipel (Lotto Soudal) doch noch die Sonne. Am Sonntagabend holte sich der Deutsche Meister in Paris auf den Champs-Élysées den so

25.07.2016Bardet zum dritten Mal in Folge in Paris auf dem Tour-Podium

(rsn) – Romain Bardet hat den heimischen Fans die Tour de France gerettet. Der 25 Jahre alte Kapitän der Ag2R-Equipe legte auf den letzten drei Tagen ein Finale sondergleichen hin, sicherte sich au

25.07.2016Kittel: Erst durch Defekte gestoppt, dann im Finale kraftlos

(rsn) – Zum großen Finale der 103. Tour de France wollten Marcel Kittel und sein Etixx-Quick-Step-Team nochmals zuschlagen. Der Erfurter, der bereits 2013 und 2014 jeweils den Schlussakkord auf den

25.07.2016Jogging-Einlage in Gelb und ein machtloser Herausforderer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Dominator in Grün und Schweizer Coup durch einen Kolumbianer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Kollision mit dem Teufelslappen und ein fataler Entschluss

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

Weitere Radsportnachrichten

02.06.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

02.06.2024Sprintzug nahe an der Perfektion: Pedersen holt Dauphiné-Auftakt

(rsn) - Der Auftakt des 76. Critérium du Dauphiné (2.UWT) wurde zur erwarteten Sprintershow. Nach 172,5 Kilometern rund um Saint Pourcain sur Sioule setzte sich am Ende der 1. Etappe der Däne Mads

02.06.2024Oise: Amann fehlten 150 Meter zum Sieg, Rüegg Bergkönig

(rsn) - Gut 150 Meter fehlten Dominik Amann (Team Vorarlberg) beim Abschluss der Ronde de l`Oise (2.2) zu seinem ersten UCI-Sieg. Der Österreicher hatte nach einem Sturz gut 1000 Meter vor dem Ziel

02.06.2024Kathrin Schweinberger jubelt erstmals in Belgien

(rsn) – Kathrin Schweinberger (Ceratizit – WNT) hat beim belgischen Eintagesrennen Dwars door de Westhoek (1.1) ihren ersten Saisonsieg eingefahren. Die 27-jährige Österreicherin verwies nach 1

02.06.2024Malopolska: Zoidls Mut wird mit einem Doppelschlag belohnt

(rsn) - Riccardo Zoidl (Felt - Felbermayr) hat sich mit seinem Sieg auf der abschließenden Königsetappe der Tour of Malopolska (2.2) noch den Gesamterfolg gesichert. Der Österreicher war an der 8,

02.06.2024Behrens klettert stark und verpasst im Sprint knapp das Podium

(rsn) - Niklas Behrens (U23-Nationalmannschaft) hat zum Abschluss der Friedensfahrt (2.NC) am Podium gekratzt. Auf dem abschließenden vierten Teilstück mit Ziel in Jesenik fuhr der 20-Jährige als

02.06.2024Abrahamsen düpiert in Brüssel die Sprinter, Ackermann Vierter

(rsn) – Jonas Abrahamsen (Uno-Mobility) hat bei der 104. Brussels Cycling Classic (1.Pro) die Sprinter düpiert und sich nach 218,4 Kilometern mit Start und Ziel in der belgischen Hauptstadt Brüs

02.06.2024Evenepoel beim Critérium du Dauphiné ohne konkrete Ziele

(rsn) – Nach seinem Schlüsselbeinbruch bei der Baskenland-Rundfahrt kehrt Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) mit bescheidenen Zielen zum 76. Critérium du Dauphiné ins Feld zurück. “Ehrlic

02.06.2024Startet die Vuelta a Espana 2025 im Piemont?

(rsn) – Die diesjährige Vuelta a Espana beginnt am 17. August mit einem Einzelzeitfahren in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon, die Gran Salida 2026 ist für Monaco vorgesehen. Wie Renndirekt

02.06.2024Roglic ist vor der Tour-Generalprobe “auf Kurs“

(rsn) – Rund zwei Monate nach seinem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt kehrt Primoz Roglic wieder ins Feld zurück. Der Slowene führt Bora – hansgrohe beim 76. Critérium du Dauphiné a

02.06.2024Wilkos feiert Solosieg bei Sportland NÖ Womens Tour

(rsn) – Nachdem sie schon in St. Pölten am ersten Tag erfolgreich gewesen war, holte sich die Polin Katarzyna Wilkos (MAT ATOM Deweloper) auf dem vierten und vorletzten Tagesabschnitt der Sportlan

02.06.2024Betz und Breuer triumphieren beim Unbound XL

(rsn) – SB – dieses Kürzel stand beim Unbound XL nach 350 Meilen über die Gravelroads des US-Bundesstaates Kansas am Samstag für ´Sieg´. Denn in den längsten beiden Rennen des prestigeträch

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Critérium du Dauphiné (2.UWT, FRA)