RSNplusSekundenkampf um den Tour-Sieg

Pogacars Angriff wird von einem Begleitmotorrad gestoppt

Von Tom Mustroph aus Morzine

Foto zu dem Text "Pogacars Angriff wird von einem Begleitmotorrad gestoppt"
Ein Sekundenduell, auch in den Alpen zwischen Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Jonas Vingegaard (Jumbo - Visma) | Foto: Cor Vos

15.07.2023  |  (rsn) - Der packende Zweikampf der "Häuptlinge" Jonas Vingegaard (Jumbo - Visma) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) um das Gelbe Trikot und - mal wieder - Begleitmotorräder spielten während der 14. Etappe der Tour de France von Annemasse nach Morzine eine große Rolle.

Als Pogacar auf dem letzten Kilometer des Aufstiegs zum Joux Plane seinen Rivalen Vingegaard erneut attackieren wollte und schon in höherer Geschwindigkeit davonschoss, musste er plötzlich Tempo rausnehmen. Zwei Begleitmotoräder unmittelbar vor ihm verlangsamten seine Fahrt. Um dem Schicksal von Chris Froome zu entgehen, der in seiner Zeit als Toursieger vor genau sieben Jahren und einem Tag auf ein Begleitmotorrad auffuhr und dann seinen legendären Lauf gen weiße Linie Richtung Chalet-Reynard am Mont Ventoux antrat, entschleunigte Pogacar lieber. ___STEADY_PAYWALL___

Es war eine gute Entscheidung des Slowenen. Aber sein Angriffsplan war an diesem Tag zunichte gemacht. "Das kann nicht sein. Die Regeln besagen, dass die Motorräder 25 Meter entfernt sein müssen", schimpfte in Morzine am Teambus Pogacars Sportdirektor Matxin Fernandez. UAE-Teammanager Mauro Gianetti sah noch einen größeren Einfluss der Motorradpiloten. "Der Zwischenfall mit dem Motorrad hat Tadej sicher ein wenig abgelenkt und er hat die Konzentration verloren, deshalb hat er auch den Sprint am Gipfel nicht gewonnen", haderte der Italo-Schweizer gegenüber radsport-news.com mit dem Schicksal und den verlorenen Bonussekunden.

Er fügte sich dann aber auch wieder in die Geschehnisse: "Es ist die Tour, alles ist live und es sind so viele Menschen. Die Motorradpiloten wissen sicher, dass sie da nicht sein sollen, aber sie versuchen ihren besten Job und so ist es halt. Es ist nicht schön, aber wir können es nicht ändern. Für den Bonifikationssprint am Gipfel wäre es nochmal was anderes gewesen, aber wie es sich im Hinblick auf das Finale entwickelt hätte, können wir nur vermuten. Wir wollten die Sekunden, haben sie nicht bekommen, aber so läuft das Spiel."

Das Spitzenduo der Tour kämpft sich durch das enge Spalier der Fans. | Foto: Cor Vos

Aldag: "Die Geschwindigkeiten sind heute doppelt so hoch"

Erstmals war Vingegaard im Spiel um Bonussekunden nach dem Vorfall vorn und konnte seinen Gesamtvorsprung von neun auf zehn Sekunden ausbauen. Pogacar selbst zog trotzdem eine überraschend positive Bilanz. "Es war ein guter Tag für uns, auch wenn er nicht perfekt war. Auf jeden Fall hat uns das, was wir erreicht haben, eine positive Einstellung für die kommenden Tage verschafft", sagte er.

Die verunglückte Aktion der Motorradpiloten war natürlich auch bei anderen Teams ein heißes Thema im Ziel. Rolf Aldag, Head of Performance bei Bora - hansgrohe, wies auf die schnelleren Beschleunigungsmomente der Rennfahrer gegenüber den motorisierten Maschinen hin. "Wenn man alte Bilder sieht, von Hinault und anderen, dann waren die immer zwischen den Motorrädern unterwegs. Der Unterschied ist, dass die Geschwindigkeit heute doppelt so hoch ist. Und mit den Gängen war die Beschleunigung damals schwer. Das war damals leichter für die Motorräder einzuschätzen. Aber wenn die heute antreten wie im Sprint, dann ist der Rennfahrer schon am Motorradfahrer dran, bevor der überhaupt am Gashahn zieht", erklärte er gegenüber radsport-news.com.

Auch Aldag bedauerte die Ereignisse am Joux Plan: "Es ist nicht so toll, wenn man einen Einfluss von außen hat. Es wäre schöner Rennfahrer gegen Rennfahrer. Ich denke aber nicht, dass das entscheidend sein wird im Hinblick auf Paris." Die Motorradpiloten spielten sogar noch ein zweites Mal eine unrühmliche Rolle. Dann nämlich, als der Spanier Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) und mit ihm Pogacar-Helfer Adam Yates bei dem elektrisierenden Schlagabtausch auf dem Joux Plane zwischenzeitlich ans Führungsduo herangefahren waren. Ihren Zusammenschluss mit den Männern im Weißen und Gelben Trikot verzögerte aber wieder ein Motorrad zwischen den beiden Gruppen.

"So etwas ist ärgerlich. Aber ich denke, in diesem Falle hat es den Ausgang des Rennens nicht entscheidend verändert", sagte Ineos Grenadiers‘ Teamchef Rod Ellingworth radsport-news.com. "Leider passieren solche Dinge immer wieder. Es gibt Regeln, und an die sollte man sich halten", sagte der Brite diplomatisch.

Niermann: "Sie waren in einem entscheidenden Moment zu nah"

Etwas direkter drückte sich Jumbo-Vismas Sportlicher Leiter Grischa Niermann aus. "Ich habe den Zwischenfall mit dem Motorrad nicht gesehen. Wir hatten zu dem Zeitpunkt keinen Fernsehempfang im Auto. Aber die Zuschauer stehen auf den Anstiegen teilweise so eng, dass ich fürchte, die Fahrer kommen gar nicht mehr durch. Das war schon gestern so (am Freitag) und heute auch", sagte er, und sah die Schuld vor allem bei den Zuschauern.

"Die Fans waren sicher ein Faktor. Die Motorräder waren auch deshalb so nah bei den Fahrern, weil sie ihnen den Weg frei machen wollten. Deshalb fuhren sie sogar nebeneinander, was eigentlich nicht üblich ist. Aber sie wollten offensichtlich die Gasse breiter machen. Dennoch, ihr Fehler war, in einem entscheidenden Moment des Rennens zu nahe an den Spitzenfahrern gewesen zu sein. Denn dass einer aus diesem explosiven Duo bald antreten würde, das war zu erwarten", so Niermann.

Die Begleitmotorräder müssen immer dicht bei ihnen sein, auch um ihnen den Weg zu bahnen. Zu dicht geht aber auch nicht... | Foto: Cor Vos

Pogacar und Vingegaard liefern sich also weiter einen Kampf um Sekunden. "Es gab ein Duell der Häuptlinge und ich bin froh, dass ich eine Sekunde gewonnen habe", zeigte sich Vingegaard befriedigt. Der erste Angriff von Pogacar, vor dem Zwischenfall mit den Motorrädern, hatte den Dänen sichtbar ans Limit gebracht. "Ich bin mein eigenes Tempo gefahren, als Tadej angegriffen hat, wollte nicht in den roten Bereich kommen", blickte er auf diese Phase zurück. Mit dem Gesamtausgang zeigte er sich wie auch Pogacar zufrieden. "Ich bin immer noch in Gelb und das ist das Wichtigste", betonte er.

Schon am zweiten Tag hintereinander sehen sich beide als Sieger. Für beide Sichtweisen gibt es Argumente. Ohne das Eingreifen des Motorrads hätte sich Pogacar vielleicht als der etwas größere Sieger an diesem Tage fühlen können. "Morgen wird es wieder eine schwere Etappe. Es ist sehr eng zwischen Jonas und mir, aber es kann auch über das Zeitfahren oder sogar bis zur vorletzten Etappe gehen", blickte er auf die nächsten Tage voraus. Da stimmt er mal wieder mit seinem Gegner überein. "Das wird ein spannender Kampf bis nach Paris“, prognostizierte Vingegaard. Dem können sich alle, die diese Tour de France bisher verfolgten, vorbehaltlos anschließen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

10.01.2024“Wir brauchen keine vier Soßen“: Wie Roglic Bora besser macht

(rsn) – Primoz Roglic macht Bora – hansgrohe besser. Das lässt sich schon sagen, bevor der Slowene überhaupt ein einziges Rennen gefahren ist. Während sich das erst Anfang März ändern und Rog

07.10.2023Thomas: “Ineos Grenadiers ist ein Team im Wandel“

(rsn) – Der letzte Tour-de-France-Sieg liegt schon vier Jahre zurück und vor allem daran lässt sich ablesen, dass Ineos Grenadiers längst nicht mehr das beste Grand-Tour-Team der Welt ist. Dennoc

30.07.2023Niewiadoma machte ihre Hausübungen für die Pyrenäen

(rsn) – Als am Col d‘Aspin auf der 7. Etappe der Tour de France Femmes die beiden Favoritinnen Demi Vollering (SD Worx) und Annemiek Van Vleuten (Movistar) erstmals in die Offensive gingen, konnte

27.07.202320 Sekunden Zeitstrafe: Vollering und SD Worx entsetzt

(rsn) – Der Kampf um den Gesamtsieg bei der Tour de France Femmes, er war bislang einer um Sekunden. Lediglich deren acht hatte Demi Vollering (SD Worx) an den ersten vier Tagen mit großem Aufwand

27.07.2023Cofidis erfolgreich, aber Geschke “nicht so gut drauf“

(rsn) – Am Sonntag erwartete Simon Geschke (Cofidis) seine Teamkollegen in Paris zum großen Finale der 110. Tour de France, die er auf der 18. Etappe aufgrund heftiger Magenprobleme verlassen musst

26.07.2023Vingegaard euphorisch in Kopenhagen empfangen

(rsn) – Der Sieger der Tour de France, der Däne Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma), wurde am Mittwochnachmittag in Kopenhagen von mehreren 10000 Menschen empfangen. Eine große Menge versammelte si

25.07.2023Buchmann zweifelt an seinem Comeback als GC-Fahrer

(rsn) - Für einen Moment war die Hoffnung wieder da. Die Hoffnung darauf, einen Emanuel Buchmann zu sehen, wie er sich im Juli 2019 bei der Tour de France präsentiert und dabei einen sensationellen

24.07.2023Tour-Achter Gall derzeit kein Thema für Bora - hansgrohe

(rsn) – Auch wenn ab August wieder Wechsel verkündet werden dürfen: Bora – hansgrohe und Felix Gall (AG2R - Citroën) werden nicht in einem Satz auftauchen. Nach der starken Vorstellung des Öst

24.07.2023Auch ohne Etappensiege imponieren Bauhaus und Zimmermann

(rsn) – Wie im Vorjahr kein Etappensieg und kein Fahrer in den vordersten Regionen des Klassements: Die Bilanz der nur sieben deutschen Starter bei der 110. Tour de France liest sich auf den ersten

24.07.2023Rückblick: Die 110. Tour de France in Zahlen

(rsn) – Drei hart umkämpfte Wochen, 21 Etappen und insgesamt 3405 Kilometer liegen hinter den Teilnehmern der diesjährigen Tour de France. Radsport-news.com blickt auf die 110. Frankreich-Rundfah

24.07.2023Pogacar vs. Vingegaard: Wer ist der beste Rundfahrer?

(rsn) – Wer ist der beste Rundfahrer der Welt? Für diesen inoffiziellen Titel kommen derzeit nur zwei Profis in Betracht: Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates). D

24.07.2023Jumbo - Visma führt auch die Preisgeldliste der Tour an

(rsn) – Jumbo – Visma stellt mit Jonas Vingegaard nicht nur wie im vergangenen Jahr den Toursieger, sondern hat auch beim Preisgeld der 110. Ausgabe der Frankreich-Rundfahrt wieder abgeräumt. In

Weitere Radsportnachrichten

02.06.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

02.06.2024Sprintzug nahe an der Perfektion: Pedersen holt Dauphiné-Auftakt

(rsn) - Der Auftakt des 76. Critérium du Dauphiné (2.UWT) wurde zur erwarteten Sprintershow. Nach 172,5 Kilometern rund um Saint Pourcain sur Sioule setzte sich am Ende der 1. Etappe der Däne Mads

02.06.2024Oise: Amann fehlten 150 Meter zum Sieg, Rüegg Bergkönig

(rsn) - Gut 150 Meter fehlten Dominik Amann (Team Vorarlberg) beim Abschluss der Ronde de l`Oise (2.2) zu seinem ersten UCI-Sieg. Der Österreicher hatte nach einem Sturz gut 1000 Meter vor dem Ziel

02.06.2024Kathrin Schweinberger jubelt erstmals in Belgien

(rsn) – Kathrin Schweinberger (Ceratizit – WNT) hat beim belgischen Eintagesrennen Dwars door de Westhoek (1.1) ihren ersten Saisonsieg eingefahren. Die 27-jährige Österreicherin verwies nach 1

02.06.2024Malopolska: Zoidls Mut wird mit einem Doppelschlag belohnt

(rsn) - Riccardo Zoidl (Felt - Felbermayr) hat sich mit seinem Sieg auf der abschließenden Königsetappe der Tour of Malopolska (2.2) noch den Gesamterfolg gesichert. Der Österreicher war an der 8,

02.06.2024Behrens klettert stark und verpasst im Sprint knapp das Podium

(rsn) - Niklas Behrens (U23-Nationalmannschaft) hat zum Abschluss der Friedensfahrt (2.NC) am Podium gekratzt. Auf dem abschließenden vierten Teilstück mit Ziel in Jesenik fuhr der 20-Jährige als

02.06.2024Abrahamsen düpiert in Brüssel die Sprinter, Ackermann Vierter

(rsn) – Jonas Abrahamsen (Uno-Mobility) hat bei der 104. Brussels Cycling Classic (1.Pro) die Sprinter düpiert und sich nach 218,4 Kilometern mit Start und Ziel in der belgischen Hauptstadt Brüs

02.06.2024Evenepoel beim Critérium du Dauphiné ohne konkrete Ziele

(rsn) – Nach seinem Schlüsselbeinbruch bei der Baskenland-Rundfahrt kehrt Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) mit bescheidenen Zielen zum 76. Critérium du Dauphiné ins Feld zurück. “Ehrlic

02.06.2024Startet die Vuelta a Espana 2025 im Piemont?

(rsn) – Die diesjährige Vuelta a Espana beginnt am 17. August mit einem Einzelzeitfahren in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon, die Gran Salida 2026 ist für Monaco vorgesehen. Wie Renndirekt

02.06.2024Roglic ist vor der Tour-Generalprobe “auf Kurs“

(rsn) – Rund zwei Monate nach seinem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt kehrt Primoz Roglic wieder ins Feld zurück. Der Slowene führt Bora – hansgrohe beim 76. Critérium du Dauphiné a

02.06.2024Wilkos feiert Solosieg bei Sportland NÖ Womens Tour

(rsn) – Nachdem sie schon in St. Pölten am ersten Tag erfolgreich gewesen war, holte sich die Polin Katarzyna Wilkos (MAT ATOM Deweloper) auf dem vierten und vorletzten Tagesabschnitt der Sportlan

02.06.2024Betz und Breuer triumphieren beim Unbound XL

(rsn) – SB – dieses Kürzel stand beim Unbound XL nach 350 Meilen über die Gravelroads des US-Bundesstaates Kansas am Samstag für ´Sieg´. Denn in den längsten beiden Rennen des prestigeträch

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Critérium du Dauphiné (2.UWT, FRA)